Über Messbarkeit und die Gefahren des Interpretationsspielraums

von Andreas Räber

Eine der grossen Stärken im Online-Marketing ist die Messbarkeit. Endlich erhalten wir aussagekräftige Zahlen, die uns helfen, den Werbefranken möglichst sinnvoll einzusetzen und den Return of Investment gut zu überwachen. Doch was so schön klingt, hat auch seine Tücken.  

Tech.co hat verschiedene soziale Medien analysiert und acht herausgefiltert, die sich für Marketer im Jahr 2021 als besonders effektiv herausstellen könnten: Facebook, Instagram, Tiktok, Pinterest, Reddit, Twitter, Linkedin, Snapchat. Ergänzt mit Google Ads, Bing Ads und SEO haben Online-Marketing-Abteilungen viele Möglichkeiten, entsprechende Zielgruppen mit Werbung zu erreichen.

Dass sich das Portfolio an Möglichkeiten im Online-Marketing erweitert hat, bestätigt auch der Trend hin zu messbaren Massnahmen. Vielseitige Möglichkeiten sind das eine, klare Botschaften, definierte Zielgruppen und eindeutige Positionierungen sind das andere und ebenso wichtig im erfolgreichen Content- und Online-Marketing.

Das Schöne: Beinahe jedes Tool liefert uns noch die entsprechende Statistik dazu. «Alles klar», so denkt man in Zeiten der Digitalisierung schnell mal «wir haben es im Griff».

Unser Interpretationsspielraum

Um unsere Zielgruppe zu (er)kennen, greifen wir zu Statistiken und versuchen Kundeninteressen zu ergründen. Das tun wir zum Beispiel mit Trackings oder Umfragen. Was wir sehen, ist in erster Linie die Handlung unserer Zielgruppe, jedoch nicht, welches oft unbewusste Bedürfnis zu dieser konkreten Handlung geführt hat. 

Was wir uns oft zu wenig bewusst sind, ist, dass unsere Wahrnehmung zu 90 % auf unseren eigenen Erfahrungen basiert. Das bedeutet: Bei der Beurteilung von Statistiken und Resultaten gehen wir oft stark von uns selbst aus. Wir deuten Zahlen so, dass sie in unser Bild und in unsere Vorstellung von Erfolg passen. Dabei gibt es bestimmte Faktoren, die unsere Bewertung beeinflussen.

Interpretationsspielraum: Wahrnehmung kann täuschen. Wir sehen, was wir sehen wollen.
Interpretationsspielraum: Wahrnehmung kann täuschen. Wir sehen, was wir sehen wollen.

Einflussfaktoren auf unsere Bewertungen

Statistiken und Umfragen bieten wertvolle Unterstützung. Keine Frage. Die Gefahren liegen in der Interpretation der Resultate. Nackte Zahlen nützen uns sehr wenig, wenn wir nicht die Zusammenhänge einer Entscheidung eines Kunden erkennen. Ein Beispiel ist die Absprungrate. 

Als bekannt wurde, dass dieser Wert für Google beim Ranking einen Einfluss hat, versuchten alle, vom User einen zweiten Klick zu erzielen. Doch eine hohe Absprungrate kann auch bedeuten, dass Webseitenbesucher die gewünschten Infos auf der Seite schnell finden. 

Die Angst, Rankings bei Google zu verlieren, beeinflusst uns bei der Entscheidung, wie der Content einer Inhaltsseite aufgebaut sein soll. 

Oder wir gehen davon aus, dass mehr Posts auch automatisch einen grösseren Bekanntheitsgrad zur Folge haben. 

In den meisten Fällen jedoch verliert mit der Quantität auch die Qualität. Mehr Informationen können auch inflationäre Auswirkungen haben. Jede Info muss einen klaren Nutzen haben, um neue Kundenbindungen aufzubauen oder bestehende zu verbessern.

Lösungsansatz: regelmässig geplante Reflexion, Wahrheit suchen und finden
Lösungsansatz: regelmässig geplante Reflexion, Wahrheit suchen und finden

Lösungsansatz: regelmässig geplante Reflexion

Es gilt, sich der Einflussfaktoren bei unseren Bewertungen bewusst zu werden. Provokativ gesagt: Auch Werbung in Printmedien wirkt noch und das vermutlich mehr, als uns bewusst ist. Nur, weil wir etwas nicht sehen, bedeutet es nicht, dass es nicht da ist und nicht wirkt. 

Auch Google ist nur ein Teil eines gesamten Systems. Wir tun gut daran, uns nicht nur auf eine Plattform zu konzentrieren und dadurch zu grosse Abhängigkeiten zu schaffen. Das gilt durchaus auch für oft als nicht wirksam abgetane Massnahmen wie Newsletter oder Printwerbung. 

Der Fotograf David duChemin zeigt es in seinem Buch «Die Seele der Kamera» sehr schön auf: 

«Entscheidend ist nicht intensiv, sondern offener hinzusehen.»

Dieser Grundsatz hilft nicht nur in der Fotografie. Auch im Online-Marketing muss man Werbeplattformen, Auswertungen und Bewertungen regelmässig infrage stellen und mögliche Wechselwirkungen erkennen. 

Auf diese Weise können gefährliche Entwicklungen und Fehleinschätzungen frühzeitig erkannt werden. 

Weiterführende Tipps auf KMU-Marketing-Blog.ch

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